AUSTRALIEN IV: Wide, wide West - Dezember 2010 - Januar 2011
40 Stunden Zugfahrt im Indian Pacific - ein Tag und zwei Nächte - haben mich über 3000 km von Adelaide nach Perth, in die abgelegenste Grossstadt der Welt gebracht.

Perth liegt näher an Asien als am Rest des Landes. Auf dem Weg dorthin fährt der Zug 470 km lang schnurgerade geradeaus durch die Nullarborplain. Dort sieht es aus wie der Name andeutet - keine Bäume, absolut nichts, sonnendurchglühtes Nirgendwo, so sieht es wahrscheinl. auf dem Mond aus, wenn mal Reisen dorthin angeboten werden, winke ich ab, kenne ich ja jetzt schon !

Alle paar Stunden dann mal Halt im Nirgendwo, wo ein paar australische Glückspilze ausharren müssen, um den Zug mit Frischwasser, Fuel, ... zu versorgen, der zwei mal pro Woche vorbeikommt, ein echter Traumjob, dafür stehen sie sicher Schlange bei Mehdorn Australia !

Kurz die Beine vertreten, Knöchel abschwellen, dann wieder rein in den Zug, für die luxuriöse Version mit Abteil und Schnick und Schnack hat es budgettechnisch nicht gereicht, sondern nur für Liegesessel, ist mit Flugzeugsitz vergleichbar, hat aber mehr Beinfreiheit - 199 austral. Dollar für 3000 km, das ist doch mal ein Bargain ( ein Dollar = ca. 0,77 Euro ).

Trotz angestrengtem Suchens haben wir viechertechnisch in dieser lebensfeindlichen Umgebung wenig gesehen, wahrscheinlich kreuchte und fleuchte es ganz kräftig auf dem Boden, aber auf Fensterhöhe niente, nur drei Emus und paar Adler kreuzten unsere Netzhaut.

Von hunderten möglicher Backpacker-Sitznachbarn hat das Reiseschicksal mir Helmut aus dem Badischen beschert, der gerade Rentner geworden ist und jetzt zwei Jahre unterwegs sein will, seine Frau arbeitet derweil zuhause noch brav weiter. Ich hätte es wirklich schlechter treffen können, denn Helmut ist ein Globetrotter, der die 70er Jahre miterlebt hat, die goldene Zeit, bevor es Reiseführer wie Lonely Planet zum Selberreisen gab und alle naselang ein Hostel und geteerte Strassen in fast jeden Ort auf Erden. Er ist mit seiner Frau mehrmals länger als ein Jahr unterwegs gewesen, meist mit dem Auto ( Bulli ), Pistole im kochtopf versteckt, u.a. sind sie bis Indien gefahren, das ist ja nun wirklich der Hippie- Klassiker ! Ausserdem durch Afrika, den nahen Osten, Asien,... er konnte toll erzählen !

Ausser mit Helmut habe ich mich im Ziug u.a. mit einer Australierin unterhalten, die sich Perth anschauen wollte im Hinblick auf einen möglichen Umzug dorthin von Melbourne. Auf meine Frage, wie lange sie denn schon in Melbourne wohnen würde, sagte sie " Seit April ( 2010 )". Und warum dann so schnell ein Umzug, ist doch keine schlechte Stadt ? Antwort: Es habe soviel geregnet ! Das muss man sich mal vorstellen, 4000 km weit in den Westen ziehen, 3 Zeitzonen entfernt, weg von Familie, Job, Bekannten, Freunden, nur weil es mal ein Jahr lang zuviel regnet !! Wenn alle Europäer so denken und handeln würden, sässen wir alle in Südspanien und der Rest wäre menschenleer !

Ausserdem meinte meine Gesprächspartnerin, sie wolle endlich wieder jeden Tag
" thongs " ( austral. englisch für Flip Flops ) tragen können, die Finger hatte sie natürlich auch schon an.

Exkurs: Thongs gehören zu Australien wie Kängurus. Es gibt quasi keine andere Fussbekleidung. Nur bei der Arbeit, da tragen Banker und andere Schreibtischtäter - wahrscheinlich zähneknirschend - dunkle, geschlossene Schuhe, aber sonst - Thongs, soweit das Auge reicht, im Bush, in der Stadt, am Strand sowieso, überall, schon Babies im Kinderwagen haben sie an den Füssen, es gibt ganze Schuhläden nur mit Thongs !! Ansonsten aber ingesamt nur wenig Schuhläden, klar, siehe oben. Frauen tragen hier entweder Thongs oder High heels, dazwischen gibt es nix.

Auch Michaela aus Berlin, die seit drei Jahren in Australien und Neuseeland umher reist und arbeitet, hatte sich schon bestens akklimatisiert, wir teilten ein Zimmer im Blue Mountains Hostel, sind dann zusammen gewandert und was hatte sie an ... richtig ! Fünf Stunden wandern in Flip Flops, für Michaela kein Problem, sie hat gar keine anderen Schuhe mehr ! Die Australier sollten sie einbürgern meine ich. Ehrenhalber.

Wenn ihr euch trotz eines Blickes auf die Fussbekleidung noch immer nicht sicher seid, ob ihr es mit einem Australier zu tun habt, dann müsst ihr euch nur mit einem Guidebook oder Stadtplan in irgendeine beliebige Stadt stellen, schwupps, erscheint ein hilfreicher Aussie neben euch, das kann Mann, Frau, Kind sein, sobald sie sprechen können eilen sie zur Hilfe.

Am Anfang habe ich dann auch immer nach dem Ort gefragt, den ich gesucht habe, manchmal waren das halt auch recht schwierige oder travelspezifische Sachen, z.b. das nächste Quantasoffice, solange der Aussie dann helfen kann und Bescheid weiss, ist alles bestens, aber wehe, sie wissen es nicht, dann rennen sie los und fragen andere, bis sie die Antwort haben und helfen können, mittlerweile bringe ich das nicht mehr übers Herz und frage sie immer was ganz einfaches, an dem ich vor 30 Sekunden vorbeimarschiert bin, dann sind sie glücklich, bringen mich dorthin und gehen frohgemut ihres Weges. Ich warte dann kurz ab, suche die nächste Toilette / Umkleidekabine, schliesse mich ein und lese dann weiter den Stadtplan / Guidebook. Zur Nachahmung empfohlen.

In Adelaide habe ich den wirklich total netten und freundlichen Schaffner nach einem historischen Hotel gefragt, das ich mir angucken wollte, er kannte es nicht, oh weh, da hat er mit seinem privaten Handy die Zentrale angerufen, sich dort durchgefragt, bis einer Ahnung hatte, mir dann die Adresse aufgeschrieben und noch die genaue Busverbindung ! Ich sage mal, in der KVB / BVB wäre das etws anders gelaufen !

Doch zurück zur Reiseroute: nach drei Tagen in Perth habe ich todesmutig wieder ein Auto gemietet und cruise gerade im Südwesten unterhalb von Perth Rtg. Esperance umher.

Hier gibt es fantastische Karri-Wälder, karibische Strände, Nationalparks, Weinanbau, es ist landschaftlich eine der schönsten Ecken Australiens bei „relativ“ kurzen Distanzen. Manche Australier sehen hier den ersten Baum ihres Lebens.